Samstag, 27. November 2010

Das Spiel des Lebens

"Spiel des Lebens" hieß ein Brettspiel, bei dem ich als kleines Mädchen das Glücksrad drehen durfte, in der Hoffnung, eine Reichtumskarte zu ergattern, auch eine Gesundheitskarte, die mich einfach so eine Runde ohne Würfeln weiterbrachte, doch wenn ich Pech hatte, kam ich - ähnlich wie bei Monopoly - direkt ins Gefängnis, musste zwei Spiel-Runden aussetzen, und zack! hatte ein anderer die Nase vorn. Nun, fast so wie im richtigen Leben. Zum Glück war mein größtes polizeilich registriertes Vergehen in meiner angenommenen Realität bisher ein Strafzettel für überhöhte Geschindigkeit, und das mit meinem alten VW-Bus, ich kann also nicht wirklich sooooo viel zu schnell gewesen sein. Das Brettspielen habe ich nie wirklich in mein Leben integriert, weder als Teenager noch als großes Mädchen, ich hatte immer sonst etwas zu tun, oder auch einmal nichts: ich halte das vor-mich-hin-Träumen und Wolkenbeobachten für einen herrlichen Zeitvertreib, bei dem mir noch nienienie langweilig geworden ist. Die Zeit vergeht, und so wurden aus den Brettspielen von vorvorgestern die online-Spiele von heute. Auch nicht meins. Und so verfolge ich mit unglaublicher Faszination die Entwicklung unter meinen Mit-Menschen, die sich momentan mehr den Spielen der virtuellen Welt zu widmen scheinen, als ihrem tatsächlich angedachten Leben. Oder ist das das Leben? Und ich habe den Startschuss nicht gehört? Egal, ich bin eben fasziniert davon, wie jemand Stunden vor dem Computer in seiner Zweiten Welt zubringen kann, und nicht weiß, ob draußen vor der Tür die Sonne scheint oder die Blätter fallen. Alles ist prima, was einem Spaß macht, ohne einen anderen zu verletzen, finde ich, und so kann natürlich jeder seines eigenen Glückes Schmied sein, ob hier draußen, oder dort drinnen, in der Welt der bits und bytes. Wer lieber vor dem Bildschirm joggt, als flott im tiefen Sand der Playa zu walken, lässt eben mehr Platz für die, die dort draußen leben. Und wer in seinem online-Spiel eben ein supersexy Männer-Modell sein möchte, anstatt sich über seinen stetig wachsenden Bierbauch Gedanken zu machen - im Draußen - hat ja zum Glück die Wahl. Lachen muss ich wirklich aus tiefstem Herzen, wenn man sich ein Computerprogramm zulegt, um gemeinsam mit dem Partner etwas zu unternehmen, zum Beispiel Sport zu treiben. Was ist aus den guten alten Laufschuhen für Wind und Wetter geworden? Aber auch hier gilt ohne Frage wieder: jeder wie er mag! Was ich dann aber wirklich ganz, ganz eigenartig finde, ist, wenn meine Mit-Menschen sich eine große Tierfarm online anlegen, diese immerhin ja auch pflegen müssen, wenn auch nur per Mausklick, aber trotzdem zeitintensiv, die eigenen Hunde aber seit Monaten keinen Strand, kein Feld, keinen Baum außerhalb des heimischen Minigärtchens in der richtigen Hundewelt beschnuppern durften, weil Herrchen oder Frauchen nicht den Computer aus den Augen lassen können. Also, ich habe heute morgen auch schon gespielt, und zwar "Bad Cat jagd die tanzenden Phalangen"! Dazu ist unsere Mini-Mieze rasant über die Bettdecken-Landschaft geflitzt und ich musste rechtzeitig meine Finger in Sicherheit bringen! Ein atemberaubendes Unternehmen, bei dem die Reaktionsgeschwindigkeit an die Schmerzgrenze stößt. Klar, online sähen meine Hände jetzt natürlich zarter, weniger zerkratzt aus, aber das Gefühlsspiel im potenziell echten Leben hat trotzdem was: Lebendigkeit, die ich nicht missen möchte. Und wenn es mich packt, gehe ich nachher sogar noch an die frische Luft und führe meine echten Hunde, meine Zaubertiere des wahren Hier und Jetzt, zum Pipi-Machen an ein richtiges Bäumchen .....

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