"Ich helfe Ihnen gerne!", sage ich freundlich zu der älteren Dame. "Ach nein, ich schaue nur mal," sagt sie hektisch, während sie im selben Atemzug ein wunderschönes Hämatit-Armband über geschätzte 20 andere ´rüber prokelt, bis dass der Armbandständer wackeln würde, hätte mein weitsichtiger Ehemann ihn nicht mit Megaschrauben festgedübelt. Dabei geht Schauen doch ganz anders, mit den Augen zum Beispiel. Doch ich lächele wissend, meine Erfahrungswerte drängen an die Oberfläche und kommen mir zu Hilfe. Denn eigentlich scheint die Dame ja ganz nett zu sein. Vielleicht ein wenig kontaktscheu und deshalb gezwungen, ohne ein Wort des Grußes oder ohne eine unverbindliche Frage, die in unserem Wohlfühl-Laden durchaus möglich ist und gerne beantwortet wird, selbst Hand an das Objekt ihrer Begierde zu legen. Nun ja. "Oh, jetzt habe ich etwas kaputt gemacht," ist dann noch das letzte, was sie erschrocken hervorbringt. Überholt von ihrer eigenen Kühnheit. "Das kann ich mir denken," sage ich süffisant, sorry, ich bin auch nur ein Mensch - und damit vertreibe ich die arme Frau tatsächlich und wahrscheinlich für immer. Sie flüchtet geradezu in die Dunkelheit der Nacht, in heller Panik, nach ihrem wohlverdienten Mallorca-Urlaub jetzt auch noch das beschädigte Armband bezahlen zu müssen! Und nein, ich laufe natürlich nicht hinter ihr her. Dabei wäre ein einfaches "Bitte zeigen Sie mir doch mal dieses Armband." - "Aber gerne!" so schön gewesen. Zu schön? Und so einfach. Aber wir haben ja alle unsere Erfahrungen, wann wir wo was sagen dürfen, um dabei gut weg zu kommen. Ich erinnere mich an eine andere Situation in unserem Wohlfühl-Laden, in der auch nicht gleich Tacheles geredet wurde: nämlich als ein Mann mit unglaublich braunen und ungepflegten Zähnen auf mich zu kam, seinen Namen hatte ich schon fünf Minuten später vergessen, und freudestrahlend (die Zähne!!!) verkündete: "Ich will dir was schenken!" Ich weiß bis heute nicht, warum ich losprusten und lachen musste, sagt die kleine Hexe. Er war so unglaublich unglaubwürdig! Es stellte sich dann auch ganz schnell heraus, dass ich für "sein Geschenk" erst mal abgrundtief in die eigene Tasche hätte greifen müssen, um von ihm etwas käuflich zu erwerben, an dem ich, hätte ich es denn selbst wieder verkauft, ein bisschen was verdient hätte. Oder so ähnlich. Und dann gibt es da noch diese Menschen, potentielle Kollegen, die erst einmal ein Wahnsinns-Interesse an unserer therapeutischen Arbeit vorgeben, um dann am besten ihre Seminare über uns zu promoten, so ganz nebenbei, versteht sich. Weil wir so nett sind. Und so viel Zeit haben. Und ja eh schon auf Mallorca sind. Und jetzt kommt es: Sie uns damit ganz toll "unterstützen"! Weil sie so toll sind! Sie tun das nämlich nur für uns, sagen sie. Herrlich! Zum Glück sind mein Göttergatte und ich mittlerweile darauf gebrieft, schnell zu erkennen, wann sich unser Energieeinsatz lohnt, wann wir nette emails herzlich gerne beantworten, einfach so, weil es schön ist. Tolle Kollegen weiterempfehlen. Oder einfach mit freundlichen Menschen in unserem Laden interessante Gespräche führen. Ohne Nepper-Schlepper-Bauernfänger-Image. Wir haben ganz besonders in den Jahren auf Mallorca gelernt, zu sagen, was wir denken. Womit nicht jeder klar kommt. Aber was kostbare Zeit sparen kann, für alle Beteiligten. Ein klares "Nein" geht uns leicht über die Lippen, wenn es angebracht ist. Und so hoffe ich auch immer wieder auf eine klare, offene Antwort, wenn ich jemanden von ganzem Herzen frage: "Darf ich Ihnen helfen?" und er antwortet mit oder ohne einem Lächeln entweder a) "Ja, sehr gerne!" oder b) "Nein, danke", und dabei bleibt, sich bei uns wohlzufühlen und einfach mal zu schauen.
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