Mein Leben, Lieben, Staunen, Genießen und Arbeiten auf Mallorca. Gedanken und Geschichten einer ehemaligen Journalistin, dann Aussteigerin, Gastarbeiterin, heute Therapeutin und Dozentin.
Mittwoch, 19. Januar 2011
Hoffnung fühlen
An tiefdunkelen, knorrig anmutenden Ästen, aus denen schön längst und unwiederruflich aller Lebenssaft gewichen zu sein scheint, zieren hauchzarte Blüten in reinstem Rosa und Weiß die Erscheinung. Lange, bevor das satte, frische Grün des sich ankündigenden Frühlings auf Mallorca aus den Mandelbäumen sprießt, aus den Bäumen, die das Innere der Insel jedes Jahr aufs Neue zum Inbegriff der immerwährenden Hoffnung, des tatsächlichen Fortgangs und des Lebens in seiner vollendeten Schönheit werden lassen. Nichts geht mehr, scheinen die Bäume noch zu sagen, und zugleich wird alles möglich. Denn schon im selben Augenblick - gleich einem aufmunterndem, schelmischen Zuzwinkern - blickt die erste, winzige Mandelblüte hervor. Wie aus dem Nichts. Wie von Zauberhand gesetzt. Und es folgen ihr weitere und weitere, zügig, und jede Einzelne überrascht. Durch ihre bloße Existenz. In ihrer Perfektion. Durch ihr Erstrahlen. Bis das alte Geäst eines jeden Mandelbaumes sich neu erfunden hat, gleichsam einer Kollage, mit den zarten Boten der Natur übersät. Mit Tausenden. Unzähligen. Sich diesem Ereignis emotional zu verschließen, käme einer gnadenlosen Selbstbestrafung gleich, und so bleibt dem klugen Betrachter vielmehr das hingebungsvolle Staunen. Das Sich-Öffnen. Auch das Durchatmen. Das Zulassen der immensen Gefühlsflut, die das Herz nun frei durchströmt. Kraftvoll. Sanft. Ermutigend. Heilsam. Die Mandelblüte auf Mallorca. Und während man über die Insel fährt, von Mandelgärten zu Mandelgärten, während man friedvoll auf vielbewanderten Wegen entlang der Blütenpracht spaziert, bleibt einem nichts anderes zu tun, als zu erkennen ......
Dienstag, 11. Januar 2011
Gedanken zum Valentinstag
An sich bin ich keine Verfechterin fester Daten, also an welchem Tag man was tun muss, wann was zu sagen ist oder sogar wann man lachen darf. Ich finde es aber auch äußerst hilfreich und der puren Lebensfreude zuträglich, wenn sich andere Menschen an genau diesen festgelegten Terminen - wie Karneval, Jubiläen und Weltmeisterschaften - durchs Lachen, Sich Freuen und Glücklichsein hangeln. Ja warum denn auch nicht! Als beispielsweise im vergangenen Jahr Spanien im WM-Endspiel antrat und wir Gastarbeiter auf der Insel uns spanischer gefühlt haben, als das Mallorca-Völckchen an sich und die anderen Spanier selbst, das war schon ein erhebendes Gefühl. Selbst im Chinarestaurant um die Ecke und bei unseren indischen Nachbarn mit den internationalen Mode-Labels waren alle anlässlich dieses besonderen Datums mit rötlichen Fußballtrikots bekleidet, die syntetisch-schrill danach schrien, diesen Tag in die Geschichte eingehen zu lassen. Und nun steht quasi der Valentinstag vor der Tür. Und ich höre schon die Kritiker quasseln, alles nur Konsum. So ein Quatsch, sage ich! Zumindest nicht mehr Konsum als zur Karnevalszeit - Kostüm, Schminke, Alkohol, Klümmchen, Konfetti, Girlanden, Fettgebäck ....., oder zu Ostern, zu Nikolaus, zum Geburtstag, zu wann auch immer .... Ich mag den Valentinstag. Das war nicht immer so, ich erinner mich auch an meine romantisch-revolutionäre Zeit, als Mann mir um Gottes Willen nichts am 14. Februar schenken durfte! Das fand ich ätzend. Mit der Zeit wird frau jedoch klüger und lernt das hingebungsvolle Genießen. Als mein wunderbarer frisch angetrauter Gatte mich dann an unserem ersten ehelichen Valentinstag zu einem Konzert der besonderen Art einlud und wir auf unserer Hochzeitsreise in Los Angeles unseren Lieblingssänger live erleben durften, gemeinsam mit vielen anderen vor Verzückung dahinschmelzenden Paaren an diesem Tag der Tage der Liebe, schlug mein Valentinstagspegel voll aus. Von Herzen Danke für dieses wunderbare Datum! Als Impuls, seine Gefühle zu offenbaren. Und egal, ob Mythos oder wahre Begebenheit, mir gefällt der Gedanke, der Valentin auch heute noch unseren Alltag durchbrechen lässt. Dieser Priester aus Ternia, später als Märtyrer heilig gesprochen, doch hingerichtet am 14. Februar 269, ließ sein Leben, weil er es wagte, Jungverliebte christlich zu trauen. Er soll auch einen großen Blumengarten gehabt und vorbeikommende Paare mit diesen Blüten beschenkt haben. Legenden berichten, dass er selbst in die Tochter eines römischen Gefängnisaufsehers verliebt war, mit der er dann heimlich Briefe austauschte. Rund hundert Jahre nach Valentins Hinrichtung soll dann im Römischen Reich damit begonnen worden sein, den Tag des Heiligen Valentin zu feiern. In vorchristlichen Zeiten wurde außerdem in Rom am 14. Februar zu Ehren der römischen Göttin Juno, sie war die Schützerin von Ehe und Familie, die Valentinade gefeiert. Und bereits damals wurden an diesem Tag Blumen an die Frauen verschenkt. Wie schön. Im Mittelalter wurde der Valentinstag vor allem in Frankreich, Belgien und England begangen. Angeblich war der erste Mann, den ein Mädchen am 14. Februar vor dem Haus sah, auch ihr zukünftiger Ehemann. Augen auf und durch. Die Jungs versuchten da natürlich, dem Glück nachzuhelfen, indem sie mit einem Strauß Blumen vor der Tür der Angebeteten standen. Guter Trick. In den USA werden neuzeitlich Valentinskarten verschickt, mann lädt zum Essen ein. Zeit füreinander. Ich mache da gerne mit. Auch wenn ich an sich kein besonderes Datum brauche, um "ich liebe dich" zu sagen, und genau diesen Satz auch gerne einmal an anderer Stelle höre, als beim Dinner zum Valentinstag. Aber wer sagt denn, dass wir nicht alles haben können! Die Romantik am Valentinstag und die besonderen Momente zwischendurch. Der 14. Februar, so wie ich ihn sehe und erlebe, erinnert daran, dass die Liebe zwischen zwei Menschen etwas Besonderes ist und etwas Heiliges sein kann. Ob dann zum Rahmenprogramm ein Geschenk gehört oder nicht, bleibt der Phantasie überlassen. Und ein Geschenk, das von Herzen kommt, dazu ein Zeichen setzt, etwas Besonderes ist für den besonderen Menschen in meinem Leben, hat für mich nichts mit bloßem Konsum gemeinsam. Den Valentinstag als Geldmacherei abzutun, kann sich nur ein Geiziger ausdenken. Überhaupt ist das Wort Konsum an sich kein Schimpfwort. Es entstammt dem Lateinischen (lat. consumere) und steht für Verzehr und Verbrauch von Gütern. Nutze ich nun besagte Güter, um jemanden anderen glücklich zu machen: wie wunderbar! Was für ein schönes Ziel!
Montag, 10. Januar 2011
Das heilige Wasser von Mallorca
Das Wasser aus den Bergen Mallorcas ist heilig. Das schmeckt man beim allerersten Schluck, und ich kann mich nicht daran erinnern, jemals etwas Besseres getrunken zu haben, als das Wasser aus meiner Lieblingsquelle. Über der auch noch die Mutter Maria und das Jesuskind wachen, das moppelig und lebendig anmutend auf ihrem Arm thront und die Hand zum Segen erhebt. In den Fels eingelassen: Eine kleine, steinerne Statue von Mutter und Sohn hinter Gittern, um sie vor denjenigen zu schützen, denen gar nichts heilig ist - was der Sache an sich in ihrer Schönheit und Einzigartigkeit allerdings keinen Abbruch tut. Und dass der Quelle vor einigen Jahren ein Wasserhahn aufgesetzt wurde, nimmt dem Akt des Wasserabfüllens nicht ein Millionstel seiner natürlichen Romantik. Wann immer ich die Möglichkeit finde, zieht es mich zu dieser, meiner Quelle in die Berge. Mein Auto voller gesammelter leerer Behälter, um das gesegnete Nass abfüllen und transportieren zu können. Neuzeitlich organisiert. Zu Fuß oder mit dem Eselskarren ist dort keiner mehr zum Wasserholen unterwegs. Und doch ist es für mich eine Pilgerreise der besonderen Art. Eine Aktion, die Zeit bedarf, denn das Wasser füllt im bedächtigen Tempo die Flaschen. Diese trägt man ein kleines Wegstück über holprige Steine. Zur Quelle hin und zurück. Freut sich aus tiefstem Herzen, bedankt sich innig, genießt und fühlt den Frieden der Berge. Begleitet vom Wiegen der hohen, alten Bäume. Mal sanft, mal rauschend. Immer kraftvoll, immer wissend. Manchmal das fröhliche Gezwitscher der Vögel über sich. Oder auch in der Ruhe vor dem Sturm. Während die Wolken am Himmel aufziehen. Ein anderes Mal: Den sanften Nieselregen auf der Haut. Gerade ein bisschen zu kalt. Dann den frischen Morgentau, der unter die Kleidung schlüpft und einen angenehm frösteln lässt. Die Tagesdämmerung. Hoffnungsvoll. Das Sonnenlicht. Strahlend, wie es in den Blättern der hohen Baumwipfel tanzt. Ich habe schon zu den unterschiedlichsten Zeiten diesen wunderbaren Ort, diese Quelle besucht, und es war jedes Mal ein einzigartiges Erlebnis. Zeit für mich. Eine Aktion, welche mit An- und Rückfahrt, Wasserholen als solches und auch manchmal mit der Wartezeit an der Quelle Stunden dauert. Denn natürlich bin ich nicht die Einzige, die Mallorcas Quellwasser zu schätzen weiß. Manchmal ist man ganz allein. Beim jüngsten Mal waren zwei Paare vor mir bereits in der Abfüll- und Warteposition. Und diesmal war das Wasser besonders langsam, so langsam. Man bekommt, was man braucht? Mit dem Gesicht in der Sonne, den Blick hinauf zu den Baumkronen, der friedlichen Stille, die keine ist, um mich herum, fiel mir das Warten leicht. Mein Ziel ja schon vor Augen, den Moment des Nichtstuns genießend. Das angenehme Plätschern in den Wasserflaschen und Kanistern. Die natürlichen Handlungen meiner Mitmenschen, die gleichsam einer Meditation ihre Bewegungen in gemachem Tempo wiederholten. Flasche auf, Wasser abfüllen, warten. Flasche zu, zum Auto tragen .... in ruhigen Schritten, ohne viele Worte. Ich spreche tatsächlich von Harmonie. Von Einssein mit Fremden. In der Natur und verbunden durch den schlichten Akt des Wasserholens. In einem lebensbejaenden Moment. Und als nur noch der eine, letzte Wasserbehälter meines Vormannes mich von meiner persönlichen heiligen Handlung des Wasserabfüllens trennt, passiert, was mich zutiefst verblüfft. Mit der Erkenntnis, dass genau diese Wasserflasche zu viel ist, schmeißt der Mann das Plastik im hohen Bogen über die herrliche Bruchsteinmauer. An der ich noch zuvor angelehnt mein Gesicht der Sonne entgegenstreckte. Und das ordentliche Stück Plastik landet zu Füßen der alten, wissenden Bäume, deren Kronen ich in den vergangenen zweieinhalb Stunden bewundert hatte. Ich bekomme den Mund nicht mehr zu ob dieser Entweihung. Und finde nach dieser Zeit des Friedens keine Schimpftirade in mir ..... ich klettere auf einen kleinen Vorsprung und schaue über die Mauer. Und sehe einen Altar voller Plastikopfergaben und Müll bis zum Abwinken. Zwar abseits der Quelle, denn wer verrichtet schon sein Geschäft dort, wo er isst?, doch inmitten dieser Schönheit, die tatsächlich nicht mehr ohne Makel ist. Dass nur ein paar Meter weiter im Zuge der Zivilisation Mülltonnen ihren Einzug in die Berge Mallorcas gehalten haben, interessiert tatsächlich nicht alle. Und ich habe jetzt die Wahl. Ärgere ich mich mich bis zum Umfallen? Versinke ich im tiefsten Weltschmerz? Ich entschließe mich aus der Sekunde heraus, nichts davon zu tun. Erhalte ich stattdessen meine eigene, persönliche heilige Handlung? Mit klarer Erkenntnis zwar, und aus der Beobachtung meines Umfeldes heraus, aber dennoch? Gerade deswegen! In diesem einen Moment kann ich die Dinge an sich nicht ändern. Wir leben in einer großen, großen Mischmenge. Nicht jeder wünscht, meine Meinung zu hören, belehrt zu werden mit den Weisheiten, die ich für lebenswert halte. Aber ich kann meine Impulse fließen lassen. Mein Energiefeld erschaffen und erhalten, wie es jeder für sich tut. Auf meine Art meinen Rahmen setzen. Ich muss nicht alles gut finden, ich muss schon gar nicht alles mitmachen. Ich kann und will mich immer wieder distanzieren, ohne mich je zu verschließen. Ich kann einen anderen Weg gehen, als viele andere. Ich kann in meiner Handlung bleiben, besonders in diesem Fall. Jetzt ist es ganz leicht, ein anderes Mal vielleicht schwieriger. In diesem Augenblick in den Bergen verschwende ich nicht meine Gedanken, sondern nutze meine Energie, um mein Wasser mit höchstem Respekt von der heiligen Quelle Mallorcas abzufüllen. Ich möchte Wasser trinken, das rein ist und mit Liebe nach Hause gebracht wurde. Ein reiches Wasser. Ein Gesundes. Und so fahren die anderen ab, während ich zurück bleibe. Für Sekunden schließe ich meine Augen, atme durch ..... und sage danke für diesen wunderbaren Ort und die Möglichkeit, meinen Durst zu stillen .....
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